Gegenstand dieses Beitrags ist es, Unternehmensgründungen in Großbritannien (GB) zu untersuchen, die ihren Ursprung auf der ganzen Welt haben. Hierfür werden über 2 Millionen Unternehmen herangezogen, die zwischen 1997 und 2006 in GB neu gegründet wurden. Diese Daten erlauben es zu beurteilen, welche Auswirkungen die Liberalisierung des Marktes für Unternehmensgründungen in der EU hat. Die EuGH-Entscheidungen haben zwar eine lebhafte juristische Debatte über ihre möglichen Auswirkungen ausgelöst (vgl. bspw. Kieninger (2004), Dammann (2003) und Wymeersch (1999, 2003)), empirisch wurden die Auswirkungen jedoch noch nicht untersucht. Manche Beobachter haben vorhergesagt dass Unternehmen ihren Sitz nach GB verlegen würden. Andere wiederum glauben, dass Unternehmer ihre nationalen Rechtssysteme grundsätzlich nicht verlassen. Dieser Beitrag ist die erste quantitative Untersuchung der Auswirkung von Deregulierung auf die Wahl des Gründungslandes eines Unternehmens. Wir zeigen dass die Centros-Urteile unmittelbar mit einem starken Anstieg von ausländischen Unternehmensgründungen in GB verbunden sind. So wurden zwischen 2003 und 2006 über 67.000 neue Gesellschaften mit be-schränkter Haftung in GB gegründet, die aus anderen EU-Ländern stammen. Diese Centros-Unternehmen sind zwar juristisch in GB errichtet, entfalten dort aber keine ökonomischen Aktivitäten und stellen neuartige Konstrukte europäischer Gesellschaftsformen dar. Die größten absoluten Flüsse von Centros-Unternehmen stammen aus Deutschland, Frankreich, den Niederlanden und Norwegen. Die meisten der Firmen sind kleine eigentümergeführte Unternehmen und es gibt demgegenüber noch keine Hinweise darauf, dass die Centros-Entscheidungen auch signifikanten Einfluss auf die Gründungen von Public Limited Companies, dem britischen Äquivalent zur Aktiengesellschaft, haben. Der primäre Effekt der Deregulierung betrifft deshalb bislang die Gründung junger Unternehmen und nicht die Änderung des juristischen Status bestehender Unternehmen. In Übereinstimmung mit der Hypothese eines Deregulierungseffekts zeigt sich, dass Unternehmensgründungen aus EU-Ländern in GB nach Centros stark ansteigen, nicht jedoch Unternehmensgründungen aus Nicht-EU-Ländern – für die die Centros-Entscheidungen keine Gültigkeit besitzen.

Deregulierung und Unternehmensmobilitaet in Europa

Wagner, Hannes
2009

Abstract

Gegenstand dieses Beitrags ist es, Unternehmensgründungen in Großbritannien (GB) zu untersuchen, die ihren Ursprung auf der ganzen Welt haben. Hierfür werden über 2 Millionen Unternehmen herangezogen, die zwischen 1997 und 2006 in GB neu gegründet wurden. Diese Daten erlauben es zu beurteilen, welche Auswirkungen die Liberalisierung des Marktes für Unternehmensgründungen in der EU hat. Die EuGH-Entscheidungen haben zwar eine lebhafte juristische Debatte über ihre möglichen Auswirkungen ausgelöst (vgl. bspw. Kieninger (2004), Dammann (2003) und Wymeersch (1999, 2003)), empirisch wurden die Auswirkungen jedoch noch nicht untersucht. Manche Beobachter haben vorhergesagt dass Unternehmen ihren Sitz nach GB verlegen würden. Andere wiederum glauben, dass Unternehmer ihre nationalen Rechtssysteme grundsätzlich nicht verlassen. Dieser Beitrag ist die erste quantitative Untersuchung der Auswirkung von Deregulierung auf die Wahl des Gründungslandes eines Unternehmens. Wir zeigen dass die Centros-Urteile unmittelbar mit einem starken Anstieg von ausländischen Unternehmensgründungen in GB verbunden sind. So wurden zwischen 2003 und 2006 über 67.000 neue Gesellschaften mit be-schränkter Haftung in GB gegründet, die aus anderen EU-Ländern stammen. Diese Centros-Unternehmen sind zwar juristisch in GB errichtet, entfalten dort aber keine ökonomischen Aktivitäten und stellen neuartige Konstrukte europäischer Gesellschaftsformen dar. Die größten absoluten Flüsse von Centros-Unternehmen stammen aus Deutschland, Frankreich, den Niederlanden und Norwegen. Die meisten der Firmen sind kleine eigentümergeführte Unternehmen und es gibt demgegenüber noch keine Hinweise darauf, dass die Centros-Entscheidungen auch signifikanten Einfluss auf die Gründungen von Public Limited Companies, dem britischen Äquivalent zur Aktiengesellschaft, haben. Der primäre Effekt der Deregulierung betrifft deshalb bislang die Gründung junger Unternehmen und nicht die Änderung des juristischen Status bestehender Unternehmen. In Übereinstimmung mit der Hypothese eines Deregulierungseffekts zeigt sich, dass Unternehmensgründungen aus EU-Ländern in GB nach Centros stark ansteigen, nicht jedoch Unternehmensgründungen aus Nicht-EU-Ländern – für die die Centros-Entscheidungen keine Gültigkeit besitzen.
2009
9783831408269
Schäfer, Klaus; Burghof, Hans-Peter; Johanning, Lutz; Wagner, Hannes F.; Rodt, Sabine
Risikomanagement und kapitalmarktorientierte Finanzierung : Festschrift zum 65. Geburtstag von Bernd Rudolph
Becht, Marco; Mayer, Colin; Wagner, Hannes
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